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The Sleepwalkers: How Europe went to War in 1914 / Christopher Clark

War das Deutsche Kaiserreich alleine Schuld am Ersten Weltkrieg? Und damit am Tod von 17 Millionen Menschen? Der Australier Christopher Clark stellt mit seinem ausführlichen und fundierten Werk, welches mittlerweile zu einem Bestseller geworden ist, infrage, was lange Zeit als Gewissheit galt. Die Lektüre dieses Werkes lohnt sich nur schon deshalb, auch wenn man nicht in allen Belangen der Meinung des Autors sein muss oder kann.

 

Seit dem Klassiker zur Kriegsschuld „Griff nach der Weltmacht“ des Hamburger Historikers Fritz Fischer in den 60er-Jahren schien die Frage eigentlich hinlänglich beantwortet. Deutschland hat den Ersten Weltkrieg angezettelt und trägt die Hauptschuld an der „Ur-Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Diesem Autor folgend, strebte Kaiser Wilhelm II. nach den gescheiterten Kolonialabenteuern die Vormachtstellung des Deutschen Reiches in Kontinentaleuropa an.

 

Clark stellt in seinem sehr gut geschriebenen Buch, ich habe es in der Originalsprache Englisch studiert, diese Lesart infrage und löste damit eine notwendige Debatte über die eigentlichen Kriegsursachen aus. Clark hat ja bereits eine preisgekrönte Geschichte zu Preussen veröffentlicht. Nun bricht er mit seinem neuen Werk den „Konsens“ auf: Nicht nur Deutschland – alle Mächte Europas zündeten an der Lunte, mit der sich schliesslich der Konflikt entlud.

 

Ob in Berlin, Moskau, St. Petersburg, London oder Wien: Monarchen und Militärs, Minister und Diplomaten trieben ihr Spiel so lange, bis ihnen am Ende die militärische Konfrontation als unausweichlich erschien. Mit einfachen Erklärungen kann Clark, der in Cambridge lehrt, nicht helfen: Die Julikrise von 1914, die zur Mobilisierung von Europas Bataillonen und schliesslich zum globalen Krieg führte, sei das komplexeste Ereignis aller Zeiten.

 

Der Australier hat in seiner akribischen Quellenstudie die Mentalität der Herrscher im alten Europa nachgezeichnet. Er beschreibt, wie Vorurteile und Misstrauen die Politik bestimmten, Intrigen und Geheimdiplomatie die labile Vorkriegs-Balance aushöhlten.

 

Der Krieg, den der Terroranschlag auf den österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, und dessen Frau am 28. Juni 1914 in Sarajevo auslöste, erscheint bei Clark nicht als zwangsläufiges Ereignis. Wenn nur einer der beteiligten Staaten die Notbremse gezogen hätte, wäre die Tat des serbischen Nationalisten Gavrilo Princip heute eine Fussnote der Geschichte, meint der Autor. Das Sterben von mehr als 17 Millionen Menschen hätte verhindert werden können.

 

Clark beschreibt, wie Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich, Russland und Grossbritannien (dazu kommen Italien und das Osmanische Reich) in einem Wirrwarr aus Versprechungen, Drohungen, Plänen und Prognosen gefangen waren. Ob der deutsche Kanzler Bethmann Hollweg oder seine Kollegen in Paris oder Moskau: Clark schildert, wie die Staatsmänner die Interessen ihrer Regierungen in den Vordergrund stellten und sich kaum für die Konsequenzen ihres Handelns interessierten.

 

Für mich war die Lektüre dieses dicken Buches zwar eine anstrengende Aufgabe, aber sie war auch sehr lohnenswert. Vor etwa vier Jahren, anlässlich eines Besuches in Theresienstadt, in der nordwestlich von Prag gelegenen Stadt bei Litomerice CZ, dem ehemaligen Gefängnis für politische Gefangene Österreich-Ungarns und späteren KZ, besichtigte ich auch die Gefängniszelle von Gavrilo Princip. Die Ausführungen unseres Tour-Guide’s machten mir klar, dass ich wenig bis nichts vom 1. Weltkrieg und seinen Ursachen und Konsequenzen wusste. Das stimmte mich sehr nachdenklich und ich nahm mir vor, das bei Gelegenheit nachzuarbeiten.


Christopher Clark hat mir dies ermöglicht, auch wenn mir klar ist, dass seine Deutung der Geschehnisse nicht die einzige ist und er darin auch höchst umstrittene Meinungen vertritt. So wird ihm z.B. vorgeworfen, die Rolle Serbiens in diesem Zusammenhang allzu stark aus der Sicht der Gegenwart zu schildern und damit seine deutlich kritische Meinung zur Rolle Serbiens in Balkankonflikten der neueren Zeit zu zementieren. Alles in allem bin ich aber froh, die notwendige Zeit für Clark’s Werk aufgewendet zu haben und kann dieses mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Gerade heute habe ich ein hörenswertes Interview mit dem Autor auf SRF gehört, zu dem ich gerne den untenstehenden Link liefere.

 

Interview mit Christopher Clark auf SRF:

http://www.srf.ch/sendungen/kontext/geteilte-europaeische-verantwortung-christopher-clark-im-gespraech

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American Capitalism: A History.

Für viele Ökonomen und auch Historiker ist der Begriff des „Kapitalismus“ seit Karl Marx oder Adam Smith eigentlich vollständig erklärt, manchmal werden auch noch John Maynard Keynes, Joseph Schumpeter und Friedrich August von Hayek ins Spiel gebracht. Das bedeutet dann demnach, dass Kapitalismus ein System ist, welches durch die eine oder andere Theorie erklärt werden kann. Entweder man versteht es, oder eben nicht. Entweder man liest den richtigen Autor oder man bleibt ein Ignorant. In dieser Sichtweise ist die Geschichte des Kapitalismus einfach die logische Konsequenz eines Naturgesetzes, wie wenn ein Apfel vom Baum fällt. Die Geschichte des Kapitalismus zu erforschen wäre also gleich relevant und spannend wie die Geschichte der Gravität zu erkunden.

In der Geschichtswissenschaft geht es aber nicht darum, universale Theorien zu beweisen, sondern die Veränderungen in einem Forschungsgegenstand über die Zeit hinweg aufzuzeigen. Es geht vielmehr darum, nicht (nur) die konsequente, lineare Entwicklung aufzuzeigen, sondern vielmehr auch die Nebenäste und -phänomene in ihrer Vielfältigkeit zu beleuchten. Das eigentliche Problem besteht nicht in der Formulierung einer allgemein verbindlichen Definition von Kapitalismus, sondern im Gegenteil, sich zu überlegen, weshalb es keine universelle Definition davon geben kann.

Da sich  die Vereinigten Staaten gerade aus der folgenreichsten finanziellen Krise seit der Grossen Depression zu erholen scheint, ist es nicht verwunderlich, dass man sich eiligst mit dem Kapitalismus-Begriff auseinandersetzt. Während mehr als zwei Generationen befassten sich nur wenige Historiker konsequent mit wirtschaftlichen Fragestellungen. Vertreter der Linken widmeten sich viel lieber mit Bewegungen, welche sich mit dem sozialen Wandel beschäftigten (Frauenbewegung, Gleichstellung, etc.). Die postmodernen Strömungen der 80er und 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts verdrängten traditionelle Themen der Wirtschafts-Geschichte mit quantitativen Themenstellungen. Wenn sich jemand mit Unternehmungs- oder Branchen-Geschichte, oder noch schlimmer, mit erfolgreichen Geschäftsleuten beschäftigte, machte er sich „intellektuell“ irgendwie verdächtig.

Ab den späten 90er-Jahren sah die Welt für junge Forscher aber ganz anders aus. Soziale Bewegungen hatten sich entweder durchgesetzt - oder sie verloren ihren Einfluss - und dies oft bereits vor Jahrzehnten. Radikale Reformen mitten in der nicht enden wollenden wirtschaftlichen Stagnation, hatten den Status von Fantasien. Noch wichtiger, der Amerikanische Kapitalismus hatte spätestens seit 1989 den Sowjetischen Kommunismus geschlagen. Das entweder/oder des Kalten Krieges war jetzt nicht mehr relevant. Für eine gute vertiefende Betrachtung empfehle ich den Artikel von Jennifer Schuessler, „In History Departments, it’s up with Capitalism“, in der New York Times vom 6. April 2013. (Link unten).

Auf exakt diesem Hintergrund bauten die Professoren Edward Baptist und Louis Hyman den von mir soeben abgeschlossenen MOOC „American Capitalism: A History“. Das Duo verstand es von Anfang an, mich mit ihren Ausführungen zu fesseln. Mit wenigen technischen Hilfsmitteln vermochten sie mich durch die Geschichte zu führen. Einerseits war dies eine willkommene „Repetition“ zu meinem bisherigen Kenntnissen der Amerikanischen Geschichte. Zudem war es spannend, die im vorherigen MOOC zur Geschichte der Amerikanischen Verfassung erlernten Grundlagen zu erweitern.

Die thematisch äusserst vielfältige Analyse von Baptist / Hyman dieses sehr empfehlenswerten MOOC’s habe ich in einem MindMap zur Verdeutlichung zusammengefasst (Link unten).

Besonders gefallen haben mir natürlich die wirtschafts-historische Tiefe und Differenziertheit der beiden Autoren. Wertvoll waren dabei für mich insbesondere die Betrachtungen zu Themen wie (in willkürlicher Reihenfolge): (De-)Kolonisation, Industrielle Revolution, Entwicklung, Sklaverei, Finanzierung, Detailhandel, Grossindustrie, Arbeiterbewegungen, Social Rights Movements, Management, usw. und deren Entwicklungen im Laufe der amerikanischen Geschichte. Mit hervorragenden Beispielen zeigen die beiden Professoren die vielfältigen Bedeutungen dieser Grundthemen auf. Vieles werde ich in meinen Unterricht in BWL/VWL einbauen können, mit den entsprechenden Beispielen aus der wirtschaftlichen Realität. Das vertiefende Buch mit vielen Original-Texten und Kommentaren ergänzt den MOOC optimal und ist ebenfalls für den Unterricht in der einen oder anderen Form einsetzbar.

 

Link zum NYT Artikel:

http://www.nytimes.com/2013/04/07/education/in-history-departments-its-up-with-capitalism.html?pagewanted=all&_r=0

 

Link zum MindMap:

http://www.mindmeister.com/454551921?t=3EanuBEnxp

 

 Link zur Notiz mit Lernzielen des MOOC:

https://www.evernote.com/l/AMVAkpJGWIRFGrwvvXbVCOjB17MsGQmqXEE

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"The American Constitution - a Biography"

Mein Vorwissen bezüglich der amerikanischen Verfassung war sehr beschränkt. Im Studium immerhin hörten wir von den unterschiedlichen Charakteren der „Declaration of Independence“ und der späteren „American Constitution“. In einem Grund-lagenwerk von Charles A. Beard (1913) wurde klar dazu festgehalten, dass erstere eine idealistische Vision der amerikanischen Demokratie auf der Grundlage von John Locke’s Grundsatz „all men are created equal“ sei. Die Verfassung, auf der anderen Seite, war primär dazu da, den Interessen der Reichen zu dienen. Sie unterminiere demokratische Ideale, z.B. mit der Regel, dass ein Sklave zu 2/3 einer Person in die Berechnung des Quorums eines Wahldistriktes für den Kongress zählen würde. So mein bisheriger Kenntnisstand.

 

Das stimme allerdings nicht wirklich oder sei zumindest viel zu verkürzt, argumentiert Akhil Reed Amar in seinem MOOC zur Amerikanischen Verfassung mit viel Überzeugungskraft. Bereits die ersten Worte der Präambel – „We the People of the United States“ – zeigt gemäss seiner Auffassung die tief demokratische Vision der Nation, welche hiermit begründet werden sollte. Er macht klar, dass der Prozess der Ratifikation der neuen Verfassung einer bisher einzigartig breiten Klasse von Bürgern offenstand, indem die Einschränkungen des Wahlrechts zu den Verfassungs-Konventen generell tiefer lagen als bisher in den Einzelstaaten (z.B. bezüglich des notwendigem Eigentums) oder sogar, in einzelnen Staaten, gänzlich wegfielen. Natürlich ist aus heutiger Sicht die Tatsache, dass immer noch die Hälfte der wahlfähigen Männer (von den Frauen und den nicht-weissen Bewohnern ganz abgesehen) vom Wahlrecht ausgeschlossen war, kein Grund für Freude, aber es war besser als das, was man sich zu dieser Zeit weltweit gewohnt war. In 1787 gab es die demokratische Selbstbestimmung eines Volkes fast nirgends auf der Welt, wenn man einmal von der Schweiz und England absieht, allerdings ebenfalls mit spezifischen, drastischen Einschränkungen.

 

Tatsächlich war dieser Makel für Amar absolut grundlegend und notwendig, damit das strategische Ziel einer dauerhaften Union mit einer gemeinsamen Verteidigung erreicht werden konnte. Nur so konnte verhindert werden, dass sich die einzelnen Staaten der „neuen Welt“ nicht in gegenseitigen Kriegen und Rivalitäten, wie in Europa zu dieser Zeit üblich, aufrieben. Mit der Betonung, dass die Macht der neuen Union vom Volk / den Bürgern und nicht von den einzelnen Teilstaaten abzuleiten war, fanden die Gründer die notwendige Basis für eine „ewige“ Union, aus der man nicht mehr austreten konnte.

 

Diese Vision stand allerdings in Kontrast mit der Realität, dass einzelne, souveräne Staaten überzeugt werden mussten, dieser neuen Union beizutreten. Damit dies erreicht werden konnte, wurde die obige 2/3-Regel als Kompromiss implementiert. Somit konnten die Staaten mit Sklaverei ihre zahlenmässige Unterlegenheit im Senat im Repräsentanten-Haus durch den Proporz, dank der mitgezählten Sklaven, aufwiegen.

 

Wie erwartet, beleuchtet Amar’s MOOC zur amerikanischen Verfassung viele zeitgenössische Debatten. Eine der wichtigsten Einsichten ist nicht wirklich überraschend: Auch eine wortwörtliche Interpretation der Verfassung kann zu Problemen in der gerichtlichen Anwendung führen. Das Dokument muss deshalb auch in den historischen Kontext gestellt werden, die wahren Absichten der Verfassungsgeber müssen hergeleitet werden. Zudem ist es auch wichtig, die „gelebten“ Werte in der amerkanischen Gesellschaft in die Interpretation hineinzu-nehmen. Die Auslegung der Verfassung durch den „Supreme-Court“ muss sich demnach auch den Lebens-Realitäten im Zeitablauf anpassen. Gerade diese Problematik macht Amar mit vielen Beispielen wie Abtreibung, Homo-Ehe, Todesstrafe etc. gut begreifbar.

 

Die Methode, chronologisch zuerst durch die eigentlichen Verfassungsartikel und dann durch die „Amendments“ zu gehen und diese immer in den historischen Kontext zu stellen, macht das Gesamtwerk auch einem Laien verständlich. Ebenfalls sehr spannend war die Besprechung von zahlreichen zentralen Entscheidungen des Supreme-Courts, die jeweils massiv geprägt waren durch die Zusammensetzung des Richtergremiums bzw. der Person des Chief Justice.

 

Neben dem Inhalt der eigentlichen Verfassung gelingt es Amar auch, die institutionellen Eigenheiten der amerikanischen Demokratie klar aufzuzeigen. Über die konventionelle Gewalten-teilung Legislative / Exekutive / Judikative hinaus, zeigt er auch klar das Zusammenspiel dieser demokratischen Gewalten sowie die notwendigen „Checks and Balances“. Auch wird einem das Verhältnis zwischen der nationalen Ebene und den Gliedstaaten aufgezeigt und mit guten Beispielen veranschaulicht.

 

Alles in Allem war der Kurs eine echte „Erleuchtung“ für mich. Durch die Konfrontation mit einem anderen Modell der Demokratie konnte ich mich auch gleichzeitig wieder mit dem Schweizer Modell vertieft auseinandersetzen. Das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden wird mir in Zukunft viel leichter fallen. Der MOOC wurde ergänzt durch zusätzliche Texte und Tests, die einem das eigene Verständnis erleichterten und zeigten, ob man das Grundsätzliche verstanden hatte. Ich freue mich sehr, hoffentlich bald die beiden Standardwerke von Amar zur Amerikanischen Verfassung auch noch in Textform aufar-beiten zu können.

 

Zudem bin ich froh, im April nächsten Jahres eine 4-wöchige Erkundung von Washington DC organisieren zu können, wo sich mir die einmalige Gelegenheit bieten wird, die historischen Hintergründe und die wichtigsten Schauplätze 1:1 erleben zu können. Der MOOC zur Geschichte des Amerikanischen Kapitalismus und die Lektüre des Lehrbuches „American Democracy Now“ werden meine Erkenntnisse dieses MOOC’s bis dahin ebenfalls ideal ergänzen.

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Introduction to Neuro-Economics

1. Inhalt und Aufbau

Ökonomie, Psychologie und Neuro-Wissenschaft wachsen seit einiger Zeit zu einer vereinigten Disziplin mit dem Namen Neuro-Ökonomie zusammen, mit dem Ziel, eine gemeinsame, einheitliche Theorie des menschlichen Verhaltens zu entwickeln.

Neuro-Ökonomie kann Ökonomen und anderen Sozialwissen-schaftler mit einem tieferen Verständnis, wie der Mensch eigene Entscheidungen fällt, und wie andere darauf reagieren, ausstatten. Gibt es Anzeichen dafür, dass wir genetisch bedingt risikoavers oder risikofreudig sind? Wie wird eine „faire Entscheidung“ von unserem Gehirn beurteilt? Ist es möglich, Kaufintentionen von Konsumenten vorauszusagen? Können wir ökonomisches Verhalten durch das Modulieren unseres Gehirnes beeinflussen?

Die Neuro-Wissenschaft in der Allianz mit Ökonomie und Psychologie kann aussagekräftige Modelle zur Verfügung stellen, um zu erklären, wie und wieso  wir Entscheidungen treffen, und ob es rational ist, so zu handeln. Zahlreiche validierte Experimente bzw. deren Resultate untermauern diese theoretischen Erkenntnisse mit solidem Datenmaterial. Entschei-dungsfindung auf Finanzmärkten, Vertrauen und Kooperation in Teams, Konsumenten-Beeinflussung durch Marketing und andere Themen waren zentrale Gebiete dieses Kurses in Neuro-Ökonomie. In diesem MOOC wurden die neuesten Erkenntnisse der Möglichkeiten, das menschliche Gehirn zu beobachten und abzubilden, vorgestellt (PET, fMRI und TMS) und daraus moderne Erklärungs-Modelle abgeleitet und erläutert.

Modul 1: How the brain works?
Am Anfang stand eine kurze Einführung in die Grundlagen der Neuro-Anatomie und der Neuro-Ökonomie.

Modul 2: How the brain decides?
Die Grundlage der Neuro-Ökonomie: Entscheidungs-Theorie. Die wichtigsten Theorien dazu wurden zusammen mit den sie unterstützenden empirischen Untersuchungen vorgestellt und erläutert.

Modul 3: How the brain feels?
Das Ziel dieses Teiles war es, das Zusammenspiel zwischen rationalem Verhalten und Emotionen aufzuzeigen, insbesondere, wie unsere Entscheidungen durch Gefühle beeinflusst werden und wie sich das im menschlichen Gehirn zeigt.

Modul 4: Society of brains
Wie interagieren Gruppen und das gesellschaftliche Umfeld mit der Entscheidungsfindung von Individuen? Dieses Modul zeigte zahlreiche Implikationen für das Marketing, die Politik und das Bildungswesen.


2.  Persönliche Würdigung

Als Ökonom und Betriebswirtschafter waren mir die verschiedenen Modelle zur Entscheidungs-Theorie aus ökono-mischer Sicht natürlich bereits gut bekannt. Mit einiger Skepsis habe ich mich für diesen MOOC entschieden, weil die Neuro-Ökonomie in Ökonomen-Kreisen keinesfalls unumstritten ist und mir zusätzlich die Grundlagenerkenntnisse der Naturwissen-schaften auf dem Gebiet der Neuro-Wissenschaften komplett fehlten, wenn man mal von der Lektüre eher populär-wissenschaftlicher Bücher zum Thema Lernen/Pädagogik absieht.

Vasily Klucharev hat es aber geschafft, die technischen Klippen und das notwendige Vokabular so gut zu präsentieren, dass mir auch als Nicht-Naturwissenschaftler der Kurs nie zu technokratisch vorkam. Die vielen Versuche und Beispiele haben dabei sicher viel geholfen. Die ersten Kapitel waren natür-licherweise harte Knochenarbeit, aber es hat sich gelohnt, den Kurs bis zum Schluss zu absolvieren. Dort zeigt Klucharev nämlich die Schnittstellen und Schlussfolgerungen für die ökonomische Analyse klar und verständlich auf.

Die Themen, welche mich am meisten faszinierten, waren die Kapitel Emotionen und rationale Entscheidungsfindung, die Verankerung der Fairness im Menschen, die Tendenzen zu Kooperation und Teamgeist. Insbesondere der Nachweis, dass viele dieser Erkenntnisse auch direkt in der Tierwelt bei Menschenaffen anzutreffen bzw. nachweisbar sind, war natürlich sehr spannend. Damit kann subsumiert werden, dass solches Verhalten beim Menschen quasi evolutionsmässig verankert und im Genmaterial vorbestimmt ist. Höhepunkt war sicher die diesbezügliche Forschung zum Thema „Biologische Märkte“, die zeigte, dass Kappuziner-Äffchen Tauschgeschäfte mit Geld aufbauend auf der Angebots-/Nachfrage-Theorie vollziehen.

Falls die Zeit meines Sabbaticals ausreicht, würde ich gerne ein vertiefendes Grundlagenwerk zu diesen Themenbereichen durcharbeiten.


Link zu den Kursunterlagen:

https://www.dropbox.com/sh/6iotrmo17foie2r/AAAwqgAzJwcdnec8MSPyfi8Ba?dl=0

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The Taste of Ashes / Marci Shore

Mit der Lektüre dieses Buches habe ich ein Experiment gewagt, ein ziemlich schwieriges. Dazu muss noch erwähnt werden, dass ich das ganz bewusst getan habe. Wie so oft bin ich relativ zufällig auf dieses Buch gestossen, beim "Browsen" durch die Geschichtsbücher zum Thema "Osteuropa" bei amazon.de . Die Besprechungen haben mich neugierig gemacht auf diese Autorin, obwohl sie viele kritische Punkte beinhalteten, die ich jetzt, nach der Lektüre, grösstenteils nur bestätigen kann.
Das Buch setzt viel voraus, was ich noch nicht mitbringe: Kenntnisse über Kommunismus, Stalinismus, Zionismus etc., alles Konzepte, die mir im Groben und Oberflächlichen zwar bekannt sind, aber eben nur so. Dennoch habe ich die Herausforderung angenommen, denn versprochen wurde mir ein subtiles Zeitgemälde, mit vielen Beiträgen von Zeitgenossen, die wissen, worüber sie reden.
Marci Shore, die Autorin, lässt den Leser an ihrem umfassenden Wissen (und ihrem noch grösseren Netwerk an Zeitzeugen) teilhaben, welches sie über die Jahrzehnte in akribischer Kleinarbeit in Archiven und persönlichen Gesprächen zu den relevanten Themen aufgebaut hat. Shore ist vorbildlich, gerade als Amerikanerin, und lernt Tschechisch, Polnisch, Russisch, Yiddish etc., um ganz in die Problematik eintauchen zu können. Darüber hinaus ist sie bereit, viel Zeit "in den Kulturen selbst" zu verbringen und so auch z.B. als Lehrerin in der tschechischen Provinz zu arbeiten. Alles Sachen, um die ich sie irgendwie beneide...
Doch worum geht es eigentlich in diesem Buch? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Vordergründig geht es darum, die Entwicklung unterschiedlicher Länder wie CZ, SK, PL und HUN nach 1989 aufzuzeigen, deshalb ist mir das Werk auch aufgefallen. Aber eigentlich geht es viel tiefer.
Wie war es möglich, dass sich die sogenannte Intelligentsja dieser Länder vom Kommunismus und noch schlimmer, vom Stalinismus verführen liess? Welche Unterschiede sind dabei von Familie zu Familie und z.T. auch innerhalb einer Familie auszumachen? Welche Rolle spielt dabei die Religion, insbesondere die jüdische? Luden sich die jeweiligen Akteure dabei individuelle Schuld auf, oder müssen sie sich dafür "nur" schämen?
Nur ein Beispiel: Milan Kundera. Er soll einen "einfachen, harmlosen" Spion verraten haben, als dieser zufällig in sein Leben tritt. Er soll ihn denunziert und den Behörden ausgeliefert haben, die ihn prompt für Jahre ins Arbeitslager steckten. Macht sich Kundera deshalb schuldig, ein totalitäres System unterstützt zu haben (mit deren Grundphilosophie, dem Marxismus, er sich zu dieser Zeit übrigens inhaltlich identifizierte) oder muss er sich einfach nur dafür schämen? Unterschiedliche Protagonisten geben in diesem ausgewogenen Buch ganz unterschiedliche Antworten. Und ziehen daraus teils drastische Konsequenzen. Doch gibt es überhaupt jemanden ohne Schuld, der diese schwierigen Zeiten in Osteuropa durchlebt hat?
Noch viel näher gingen mir die Ausführungen über das Warschauer Ghetto, die damit zusammen hängenden Aufstände und deren blutige Niederschmetterung durch die Nazis, das tatenlose Zuschauen der Roten Armee trotz flehender Bitten aus den Reihen der polnischen Exilregierung in London.
Oder die Nachkriegs-Progrome in Polen, z.B. in Jedwabne, wo die durch den Krieg schon beinahe vollständig ausgelöschte jüdische Bevölkerung zu Dutzenden, Kinder, Frauen, Alte, in einer Scheune bei lebendigem Leibe von der polnischen, nicht-jüdischen Bevölkerung massakriert wurde. Und das, wohlbemerkt, nur Jahre nach dem Holocaust und dem "Nie-wieder-Reflex".
Auch die unglaublichen Schauprozesse gegen "Feinde des Systems", nicht nur in der Sowjetunion unter Stalin, sondern auch in der ehemaligen CSSR und Polen. Hier verwunderten mich vor allem die nicht-vorhandene Gegenwehr der Protagonisten aus den Kreisen der Dissidenten. Shore klagt aber, zumindest in diesen Fällen, nicht an, sondern sie versucht subtil die Umstände für solches "Fehlverhalten" aufzuzeigen, das häufig zum Schutze von Familie oder Freundeskreis diente. Zudem verficht sie die klare Position, dass jemand, der nie in solchen totalitären Systemen gelebt und überlebt hat, kein Recht zur Anklage hat, da man somit den Beweis quasi verpasst hat, es besser gemacht zu haben (dieses Argument lässt sie übrigens auch gegen sich selber gelten).
Mit diesem Buch habe ich viel über die Geschichte dieser Länder erfahren, insbesondere über deren dunkleren Seiten. Das hat mir die Autorin allerdings nicht einfach gemacht, manchmal hätte ich das Buch gerne einfach, nicht fertig gelesen, zugeschlagen bzw. vom Tablet gelöscht. Fast schon verwirrend ist die Erzählstruktur, die hin und her springt in Zeit und Geografie, die zwar immer gleichen Exponenten auf den ersten Blick wild durcheinander zu Worte kommen lässt. Da braucht es viel Energie des bemühten Lesers, das Ganze irgendwie zu ordnen und so den Überblick zu wahren.
Aber der Aufwand und die Mühe haben sich gelohnt, ich habe richtig Lust gekriegt, mich vertieft in die interessanten Fragen dieses Werkes zu stürzen. Allerdings will ich zuerst etwas systematisch vorgehen und mir Grundlagen zu Nazideutschland, Kommunismus, Sowjetunion, Charta 77, Havel, Kundera, etc. erarbeiten. Der Autorin bin ich dafür sehr dankbar, auch für die zugegeben etwas wirre Zeitreise, die mir viele Inspirationen für meine Reise durch das Baltikum und Polen geschenkt hat.

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